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ISEK - Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft Populäre Kulturen

Augenschein FS20

Panoramen, Dioramen und Modelle wollen unterhalten und belehren, an vergangenen Ereignissen teilhaben lassen, Einblicke in ferne Länder und deren Natur und Kultur geben; sie fangen die Blicke der Betrachtenden ein, führen durch reale und fiktive Welten. Sie sind von Kunst und Technik durchdrungen und versuchen eine Illusion der physischen Unmittelbarkeit zu erschaffen. Und doch ist in ihrer materiellen Beschaffenheit das Potenzial angelegt, dass Blicke entgleiten, dorthin wandern, wo sie nicht hinsollen – hinter die Kulissen sozusagen. Es ist in solchen Momenten der Irritation, wo sich die Komplexität von Panoramen, Dioramen und Modellen am deutlichsten zeigt. Sie bewegen sich in Spannungsfeldern von Realität und Repräsentation, Immersion und Metareflexivität, Kunst und Wissenschaft.

So sind historische Kriegspanoramen und naturhistorische Museumsdioramen als Medien der Wissensvermittlung vordergründig darum bemüht, empirische Erkenntnisse so korrekt und naturalistisch darzustellen, wie möglich. Doch schon die technisch aufwendige Herstellung von diesen erfordert Kunstfertigkeit und macht sie damit zu künstlerischen Artefakten. Es zeigt sich auch, dass die Exponate in ihren jeweiligen Ausstellungsdispositiven ideologisch, politisch und religiös aufgeladene Erzählungen mittransportieren. Und obwohl die räumlichen und dinglichen Rahmungen von Panoramen und Dioramen auf eine Immersion abzielen, sind es doch genau diese Rahmen, die die Illusion der Unmittelbarkeit wieder zu brechen vermögen. Die Materialität von Panoramen, Dioramen und Modellen regt damit eine Reflexion über den von ihnen gezielt produzierten AugenSchein und damit die Wahrnehmung selbst an.

Auch bei einem konservativen Verständnis von Panoramen und Dioramen bestechen diese durch ihre Anschlussfähigkeit zu anderen Medien. Der Anspruch auf die möglichst präzise Wiedergabe einer Ansicht kam zunächst in der Fotografie zur vollen Blüte; die sogenannten moving panoramas – lange in einem Fensterausschnitt entrollbare Panoramen – können wiederum als Vorläufer des Films verstanden werden. Und performativ mit showmen gerahmte Panoramen weisen wiederum starke Anleihen vom Theater auf.

Genau diesen Spannungsfeldern hat sich das Master-Studienprojekt gewidmet, welches im Herbstsemester 2019 und Frühlingssemester 2020 in Zusammenarbeit mit der der Kulturunternehmerin Barbara Piatti und der Illustratorin Yvonne Rogenmoser konzipiert und durchgeführt wurde. Die Studierenden haben ihre Themen selbstständig gewählt und in Zusammenarbeit mit dem gesamten Projektteam erarbeitet. Dass Panoramen und Dioramen auch heute nichts an ihrer Anschlussfähigkeit eingebüsst haben, zeigt das breite thematische Spektrum der Beiträge des aus dem Projekt resultierenden Bandes und dem dazugehörigen Leporello. Die Untersuchungsgegenstände reichen von mittelalterlichen Flügelaltären, über beleuchtete private Fensteransichten, fiktionale Modelle im Film, bis zu digitalen Lebenssimulations-Computerspielen. Trotz vielfältiger Materialien und Techniken sind aber auch in diesen untersuchten Beispielen die Spannungsfelder erhalten geblieben. Während der Buchband von der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex bestimmt ist, schafft der Leporello einen interaktiven und bisweilen spielerischen Zugang zu den individuellen Projektschwerpunkten. Wie Panoramen, Dioramen und Modelle selbst, ist auch das Ergebnis dieses Studienprojekts eines, das die Brücke zwischen Kunst und Wissenschaft schlägt.