Geschichte
Im Rahmen der Werkstücke ist ein Band über die Institutsgeschichte entstanden. Die Texte wurden von Studierenden in einer zweisemestrigen Lehrveranstaltung zum Thema «Institutsgeschichte im Erdgeschoss» erarbeitet. Volltext (PDF, 4 MB)
Zur Entwicklung der Populären Kulturen an der Universität Zürich
Von Ueli Gyr
Im Juli 2014
Das Volkskundliche Seminar, wie es bis 2006 hiess, hat eine kurze Geschichte, was damit zusammenhängt, dass die Aufnahme des Faches Volkskunde an der Universität Zürich relativ spät erfolgte. Zwar wurden Volkskunde und Volkskundliches auch vor der Seminargründung in anderen Fächern aufgenommen, mit Beiträgen etwa aus der Dialektologie (Privatdozent Eduard Hoffmann-Krayer), der Altphilologie (Professor Otto Waser), der Hausforschung und der Volksbotanik (Titularprofessor Heinrich Brockmann-Jerosch) sowie der romanistischen Sprach- und Sachgeographie (Professor Jakob Jud), doch liess die Schaffung eines Lehrstuhls für Volkskunde lange auf sich warten. Ein solcher wurde 1946 neu eingerichtet. Er hatte neben wissenschaftlichen auch erzieherisch-kulturpolitischen Ansprüchen zu genügen, das heisst, auch Bodenständig-Schweizerisches im Heimat- und Staatsbewusstsein ”zu bewahren und zu pflegen”, wie die regierungsrätliche Begründung ausführte. Nicht zu vergessen ist weiter all das, was die Sektion Zürich der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde (SGV) seit ihrer Gründung 1918 als ausseruniversitäre ”Drehscheibe” an volkskundlichen Veranstaltungen und Exkursionen angeboten hatte.
Wann dem Lehrstuhl ein eigenes Seminar angegliedert wurde, lässt sich über frühe Jahresberichte rekonstruieren. Fest steht zunächst, dass Lehrstuhl und Seminar nicht zeitgleich eingerichtet wurden. Eine zufällig aufgetauchte Aktennotiz belegt, dass eine kleine Bibliothek als Depositum seit 1945 in der Zentralbibliothek bestand, aus der später ein Seminar hervorging. Aufgrund seiner Recherche fand der Universitätsarchivar heraus, dass der Erziehungsrat am 23. Januar 1951 beschlossen hatte, die volkskundliche Bibliothek in eigenen Räumen am Hirschengraben 32 unterzubringen und diese auf Antrag von Richard Weiss inskünftig als ”Volkskundliches Seminar der Universität Zürich” zu bezeichnen. Die Überführung der Bibliothek an den Hirschengraben 32 fand 1951 offenbar wenig später statt, doch war dieser Standort nur von kurzer Dauer.
Die neue Bezeichnung hatte bis 2006 Bestand, während das Seminar den Standort in der Folge nicht weniger als sechsmal wechseln musste: an die Florhofgasse 11 (1951), an den Zeltweg 63 (1967), an die Apollostrasse 2 (1973), an den Zeltweg 67 (1978), an die Wiesenstrasse 7/9 (2003) sowie zuletzt an die Affolternstrasse 56 in Oerlikon (2010) in Zürich-Nord. Versucht man, inhaltliche und infrastrukturelle Entwicklungen des Seminars zu bündeln, so ergibt sich angesichts der schmalen Fachdotierung der Befund, dass das Fachgeschehen während langer Zeit aufs engste mit dem jeweiligen Leiter und dessen Fachverständnis geprägt wurde. Fachgeschichte, um dies zu pointieren, blieb demzufolge Personengeschichte, was für kleine Fächer offenbar als typisch gilt. So betrachtet, war Volkskunde in Zürich nie aus einem einzigen Guss, sondern setzte sich vielmehr aus unterschiedlichen Profilen und Leitbildern der jeweiligen Lehrstuhlinhaber zusammen, denen im Folgenden nachgegangen werden soll.
Richard Weiss (1902-1962) hatte sich, von der Germanistik herkommend, auf das Wintersemester 1940/41 in Zürich mit einer Arbeit über das ”Alpwesen Graubündens” habilitiert. Mit dieser Privatdozentur bestand nun neu ein dissertationsfähiges Nebenfach. Zeitgleich mit der Berufung auf den ersten Lehrstuhl legte Weiss 1946 seine bahnbrechende ”Volkskunde der Schweiz” als Grundriss vor – ohne Zweifel ein auch international beachteter Wurf, der einer Gegenwartsanalyse kräftig Schub verabreichte und sich von einer Volkskunde als nostalgischer Heimatkunde abwandte. Theoretisch stützte sich Weiss auf eine funktionale Betrachtungsweise, um die zwischen Menschen und Objekten traditions- und gemeinschaftsbezogenen Wechselbeziehungen im Volksleben zu erfassen. Mustergültige und bis heute allein dastehende Anwendung fand dieser synthesengerichtete Ansatz im zweiten Teil der ersten Gesamtdarstellung der Schweizer Volkskultur.
Neben zahlreichen thematischen Einzelstudien und einem nach wie vor gültigen Spätwerk über ”Häuser und Landschaften” (1959) wurden räumliches Denken, Kulturräume und Kulturgrenzen besonders gewichtet, wie die Forschungen rund um den monumentalen Atlas der schweizerischen Volkskunde (ASV) zeigen. Eine durchgehende Konfiguration lässt sich weiter in der Fokussierung auf die alpine Kultur und Lebenswelt fassen, bei deren Erforschung Weiss die Kräfte des Beharrens ausmachte, den unaufhaltsamen Strukturwandel jedoch in den späten Forschungen klar erkannte. Die acht von Weiss betreuten Dissertationen tragen deutlich dessen Prägung. Mit seinen vielfältigen Forschungen wies der Generalist Weiss der Schweizer Volkskunde den ihr gebührenden Platz zu, indem er ihr ein national ausgerichtetes Forschungsprofil verlieh.
Nach dem tragischen Unfalltod von Richard Weiss wurde Arnold Niederer (1914-1998) berufen und wirkte ab 1964 als Lehrstuhlinhaber und Seminarleiter bis 1980, seit 1974 als Ordinarius. Bewegte er sich anfänglich noch stark in den Bahnen seines Vorgängers ebenfalls mit Akzenten in der Analyse alpiner Kulturen und Lebensformen, öffnete er sich zunehmend auch anderen Sichtweisen und Problemen im Rahmen eines durch die 1968er Ereignisse veränderten Wissenschaftsverständnisses. Die Öffnung vollzog er auf verschiedenen Ebenen. Der Fachidentität verhalf er zu nachhaltigem Profil über vermehrten Einbezug auch sozialwissenschaftlicher und kulturanthropologischer Theorien und Methoden. Er verankerte die Volkskunde in den Verbund einer vergleichend verfahrenden Kulturwissenschaft als Europäische Ethnologie. Dem Bemühen, die ältere Volkskunde aus ihrer nationalen und ethnozentrischen Fixierung zu lösen, entsprach eine kooperative Wissenschaftshaltung mit Brückenfunktion zu umliegenden Ländern ebenso wie die Bereitschaft, mit der Forderung nach interdisziplinärem Forschen und Lehren ernst zu machen und konkret zu werden.
Thematisch wich Niederer vom Fachkanon nicht ab, erweiterte diesen jedoch immer mehr. Hier sollten nun z.B. auch städtische Lebensweisen, Industrieleben, moderne Alltagskommunikation, nonverbale Kommunikation, Mode, Tourismus, Folklore und massenkulturelle Erscheinungen ihren Platz haben. Die von Niederer praktizierte Volkskunde verschrieb sich dem Anspruch, auch bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme und Konflikte über Öffentlichkeitsarbeit mitzuhelfen. Zahlreiche Forschungen standen im Dienst interethnischen oder intrakulturellen Verstehens, darunter Analysen über südeuropäische Migranten, Arbeitswelten oder die Unrast der Jugend. Unter seiner Betreuung entstanden 21 Dissertationen und 25 Lizentiate. Niederer sicherte der Schweizer Volkskunde durch aktive Präsenz, fortgesetzte Öffentlichkeitsarbeit und kulturvergleichende Forschungen im Rahmen Europäischer Ethnologie eine nicht mehr wegzudenkende Position.
Die internationale Positionierung gilt auch für Max Lüthi (1909-1991) – seines Zeichens 1968 vom Regierungsrat direkt auf ein Extraordinariat ad personam für Europäische Volksliteratur berufen und auf diesem bis 1979 lehrend. Lüthi hatte mit einer Arbeit über ”Die Gabe im Märchen und in der Sage” 1943 in Bern promoviert. Er wirkte dann während langen Jahren als Gymnasiallehrer für Deutsch an der Höheren Töchterschule in Zürich, blieb wissenschaftlich aber ständig aktiv und schrieb zahlreiche Bücher. Sein zweites Buch ”Das Europäische Märchen. Form und Wesen” (1947) wurde ein Welt-Bestseller, erlebte 11 Auflagen und wurde ins Japanische, Italienische und Englische übersetzt. Den stärksten Widerhall empfing Lüthi zweifellos mit seinen Strukturanalysen und Wesensbestimmungen von Märchen, Sagen und Legenden, schrieb aber auch zwei Bücher über Shakespeare. Seine Interpretationen setzte er auf anthropologischen und psychologischen Betrachtungsebenen an, auf denen er weltweit rezipiert wurde.
Nach Lüthis Emeritierung wurde dessen Professur für Europäische Volksliteratur in ein Ordinariat ad personam umgewandelt und 1979 mit Rudolf Schenda (1930-2000) neu besetzt. Nach seinen Studien in Romanistik, Anglistik und Amerikanistik promovierte Schenda München mit einer Arbeit über die französische Prodigienliteratur, um sich 1969 mit der umfangreichen und bald Referenzwerk werdenden Schrift ”Volk ohne Buch” nach seiner Assistenzzeit in Tübingen zu habilitieren. Bis 1973 wirkte er dort als Professor, dann bis 1979 in gleicher Funktion am Seminar für Volkskunde in Göttingen. Hier war er auch Mitherausgeber der ”Enzyklopädie des Märchens”, der Zeitschriften ”Fabula”, ”Curare” und des ”Internationalen Archivs für Sozialgeschichte der Literatur”. Profiliert hat sich der europäisch denkende und europäisch forschende Schenda mit unzähligen Beiträgen zur Sozialgeschichte und Gegenwart der populären Lesestoffe in Deutschland, Frankreich und Italien, doch nahm er auch andere Themen auf, darunter pionierhaft etwa „Das Elend der alten Leute“ (1972) oder die Volksmedizin.
Seine Amtszeit an der Universität Zürich zwischen 1979 und 1995 nutzte er intensiv für weitere Untersuchungen zur volkskundlichen Erzählforschung und setzte einen Schwerpunkt in der schweizerischen Erzählkultur und Volkserziehung. Aus einer von Pro Senectute finanzierte Erhebung von Autobiografien von Winterthurer Rentnern und Rentnerinnen ging das Buch ”Lebzeiten” (1982) hervor, während eine weitere Projektforschung mit Studierenden mit dem Band ”Sagenerzähler und Sagensammler” (1987) abschloss. Es folgten weitere Bücher und Abhandlungen zur Geschichte und kommunikativen Traditionskultur in Europa. Seine Forschungen verwiesen allesamt auf ein eigenes Marken- und Qualitätszeichen im Rahmen eines europaweit einzigartigen Lehrstuhls und Erwartungen, die Schenda mit generalistischem Denken und hoher Kompetenz auch oft akribisch-enzyklopädisch immer wieder von Neuem zu erfüllen wusste – als sozialwissenschaftlicher Erzählforscher, Literatursoziologe, Volkskundler, Kulturwissenschafter, Sozialgerontologe und Mentalitätshistoriker.
Eine weitere „Ära“ des Seminars prägte Paul Hugger (1930), als Ordinarius für Volkskunde 1982 nach Zürich berufen und bis 1995 im Amt, zuvor während Jahren an der Universität Basel als Privatdozent tätig. Mit seinem Stellenantritt wurden der Personaletat erweitert (Sekretariat) und das Seminar räumlich ausgebaut. In Huggers wissenschaftlichem Wirken sind zwei Phasen zu unterscheiden. Vor seiner Zürcher Zeit fallen die Beschäftigung mit Orts- und Regionalkulturen, traditionellen Berufs- und Arbeitswelten und eine starke Hinwendung zur ländlichen Volkskultur der Westschweiz auf. Der Wechsel nach Zürich führte auch zu einem thematischen Paradigmenwechsel, wandte sich Hugger doch neu nun der städtischen Lebenswelt im Quartier und der Stadtforschung insgesamt zu, vorerst das Dörfliche in der Stadt suchend, später Vereinslandschaften und besonders die Festkultur aufnehmend, auch mit neuen Signalen zuhanden der Öffentlichkeit.
Die fortgesetzte Auseinandersetzung mit der Alltagsphotographie und dem Medium Film (in der Abteilung Film der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde), die Analyse von bedrohten Berufskulturen und eine breite Lebenslaufforschung bestimmten weitere Schwerpunkte und haben sich in einer neuen (dokumentarischen) Textsorte als „Volkskundliches Taschenbuch“ niedergeschlagen, mit bisher 49 Bänden. Huggers Engagement zugunsten des Faches auf gesamtschweizerischer Ebene intensivierte sich mit einem bemerkenswerten Output gegen den Schluss seiner Amtszeit – zum einen im Rahmen der Unterstützung zahlreicher Forschungsprojekte im NFP 21 „Kulturelle Vielfalt und nationale Identität“ und der Organisation des 3. internationalen Kongresses der SIEF (Société Internationale d’Ethnologie et de Folklore: The Life Cycle, Zürich 1987), zum anderen mit der Herausgabe eines dreibändig-dreisprachigen Referenzwerks „Handbuch der schweizerischen Volkskultur“ (1992). Er bettete das Fach immer mehr in interdisziplinäre Kontexte ein. Hugger betreute 4 Dissertationen und 15 Lizentiate. Die Zahl der Studierenden pendelte sich bei rund 100 Studierenden ein.
Die nahtlos anschliessende Besetzung des volkskundlichen Lehrstuhls durch Ueli Gyr (1945) gab diesem Gelegenheit, während seiner Amtszeit (1995-2010) das fachspezifische Profil weiter zu konturieren, für eine Breitenentwicklung zu sorgen und das Fach im Zuge universitärer Reformen in der Fächerlandschaft adäquat zu verankern. Gyr hatte sich 1987 mit einer interkulturell-historischen Untersuchung über ”Welschlandaufenthalte” habilitiert, leitete anschliessend ein empirisches Gegenwartsprojekt dazu, wandte sich dann aber vielen anderen Themen zu, die möglichst viel vom breiten Spektrum und von relevanten Nutzungen des Faches zeigen sollten. Dazu gehörten z.B. Bräuche und Folklore, Fachidentität und Fachgeschichte, urbane Lebensweisen, Tourismus und Reisekultur ebenso wie Regionalanalyse, Kulinarik, nonverbale Kommunikation, Schenkmuster, Wohnen sowie Symbolanalysen, Alltagsästhetik oder Kitsch. Solche Gegenstandsbereiche wurden zuhanden einer stark gegenwartsgerichteten ethnographisch-lebensweltlichen Alltagsforschung aufbereitet, dies unter Einschluss populärer Literaturen und Medien. Allgemein richten sich die Analysen auf selbstverständliches Handeln, Erleben und Deuten in überschaubaren Mikrobereichen, vorzugsweise qualitativ erschliessbar.
Nach der Neuausrichtung des Faches mit kultur- und sozialwissenschaftlicher Fundierung wurde das Lateinobligatorium 1997 aufgehoben. Ein Novum war weiter die Einführung von zweisemestrigen Projektseminarien (”forschendes Lernen”) sowie auch die von Gyr und wechselnden Mitarbeitern ab 1996 herausgegebene Schriftenreihe ”Zürcher Beiträge zur Alltagskultur”. Damit sollten Dissertationen und Projektforschungen, aber ebenso geeignete Lizentiatsarbeiten rasch und kostengünstig veröffentlicht werden. Zwischen 1996 und 2013 erschienen 20 Bände. Seit 1983 wirkt Gyr mit einem kleinen Redaktionsteam als Herausgeber der Zeitschrift ”Schweizerisches Archiv für Volkskunde” (SAVk), das führende Fachorgan in der Schweiz. Vom Lehrstuhlinhaber wurden 6 Dissertationen und 72 Lizentiatsarbeiten betreut, 6 davon in Form von Videofilmen. Sie wurden im Rahmen einer projektbezogenen, in langjähriger Zusammenarbeit mit dem Schweizer Filmer Hans-Ulrich Schlumpf (1939) entwickelten Filmethnographie gestaltet, zu der seitens des Instituts eine dafür notwendige Infrastruktur mit modernem Schnittplatz bereitgestellt wurde. In Gyrs Amtszeit kamen vier Habilitationen zu einem erfolgreichen Abschluss, darunter jene von Alfred Messerli (2000), Walter Leimgruber (2001), Ingrid Tomkowiak (2001) und Johanna Rolshoven (2005), während Gabriela Muri 2013 folgte.
Nach dem altersbedingten Rücktritt von Paul Hugger und Rudolf Schenda standen die Vorzeichen 1995 für weitere Entwicklungen anfänglich schlecht. So wurde der Lehrstuhl für Europäische Volksliteratur 1997 aufgrund harter Sparmassnahmen eingefroren, während das Nebenfach seine Existenzberechtigung mit (35 Studierenden) erst zu belegen hatte. Administrativ wurde es durch ein interdisziplinäres ”Kuratorium Europäische Volksliteratur” mit Vorsitz von Ueli Gyr ab 1997 bis 2010 geleitet, wogegen eine langjährige konzeptuelle Aufbauarabeit und Neupositionierung aus der Abteilung einsetzte, an deren Gelingen Ingrid Tomkowiak (ab 1997) und Brigitte Frizzoni (ab 1995) massgeblichen Anteil hatten. Nach Alfred Messerli habilitierte sich hier auch Ingrid Tomkowiak 2001, während Brigitte Frizzoni 2009 Geschäftsführerin des Instituts wurde. ”Populäre Literaturen und Medien” heisst auch die von Ingrid Tomkowiak seit 2007 herausgegebene Schriftenreihe, mit bisher 7 Bänden, während von ”kids+media” als online-Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung läuft. Ingrid Tomkowiak, Meret Fehlmann und Dana Frei zeichnen hier als Herausgeberinnen seit 2011, mit bisher 4 Heften.
Im Zuge des sogenannten ”Bologna-Prozesses”, das heisst der transnationalen Bildungsreform in Europa, erfolgten auch interne Strukturveränderungen, von denen nachhaltige Wirkungen auf das Fach und das Institut ausgehen sollten. Die einmalige Gelegenheit wurde genutzt, eine Neupositionierung auf diversen Ebenen vorzunehmen. Das vom Institut erarbeitete Fusionsmodell passierte zwischen 2004 und 2006 die Hürden von Fakultät und Universität. Das Modell legte die bisherigen Fächer ”Volkskunde” und ”Europäische Volksliteratur” neu mit dem Namen”Populäre Kulturen” zu einem einzigen Fach zusammen, dies mit einem gemeinsamen Grundstudium und optionaler Schwerpunktsetzung der bisherigen, ebenfalls neu bezeichneten Teilfächer ”Alltagskulturen” und ”Populäre Literaturen und Medien”. Dass die Kombination der Schwerpunkte mit attraktiven Themen auf zunehmendes Interesse seitens der Studierenden stiess, zeigen die Zuwachsraten der vergangenen Jahre. Die Studierendenzahlen sprechen für sich – seit der Einführung des neuen Studienfachs stieg das Volumen von 372 Studierenden (alter und neuer Modus eingerechnet, 2005) auf eine Rekordhöhe von 851 Studierenden im Jahr 2010.
Das neue Studienfach ”Populäre Kulturen” ist als Haupt- und Nebenfach studierbar. Ausdruck des damaligen Fachaufschwunges ist auch die seit 2006 eingeführte neue Bezeichnung des Instituts, welches nun ”Institut für Populäre Kulturen” heisst. Dank der fortgesetzten Unterstützung von Dekanat und Fakultät konnten Personaletat, Mittel für Lehraufträge und Raumbedarf kontinuierlich ausgebaut werden. In diesem Zusammenhang stand auch die inzwischen abgeschlossene Rekatalogisierung und Digitalisierung der Bibliothek. Das über mehrere Jahrzehnte geführte, (digital noch nicht erschlossene) Zeitungsarchiv enthält eine einmalige Sammlung von über 150'000 Dokumenten zur Schweizer Alltagskultur. Die Erschliessung von älteren Tonträgern (Kassetten, Tonbänder) und die Digitalisierung einer umfangreichen Dia-Sammlung musste aus Kostengründen vorläufig zurückgestellt werden. Dagegen wurde das Filmarchiv ausgebaut, auch mit Ankäufen historischer Filme von der Schweizerischen Gesellschaft für Volkskunde.
Im Zuge der markanten Entwicklung wurden die personellen Ressourcen erweitert und die bisherigen Professuren neu besetzt – wiederum stand ein Generationenwechsel an. Auf Ende Juli 2010 wurde Ueli Gyr emeritiert. Thomas Hengartner (Hamburg) folgte einem Ruf nach Zürich und übernahm die Nachfolge und Institutsleitung. Er wurde Herausgeber der ”Zürcher Beiträge zur Alltagskultur” und lancierte 2011 in Zusammenarbeit mit Studierenden die interne Reihe ”Werkstücke”, gedacht als Forum für erste Veröffentlichungen von Studierenden (bisher 4 Bände). Ingrid Tomkowiak (Zürich) besetzt seit 2012 eine ausserordentliche Professur für Populäre Literaturen und Medien mit dem Schwerpunkt ”Kinder- und Jugendmedien” und ist seit 2009 auch Forschungsleiterin und Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien.
Es folgten im Institut Harm-Peer Zimmermann (Marburg) 2012 auf ein neu geschaffenes Ordinariat für Populäre Kulturen mit Schwerpunkt „Populäre Literaturen und Medien“ sowie zuletzt Bernhard Tschofen (Tübingen) 2013 auf ein ebenfalls neu eingerichtetes Ordinariat für Populäre Kulturen mit dem Schwerpunkt „Kulturwissenschaftliche Raumforschung“. Im internationalen Vergleich ist das Zürcher Institut sehr gut aufgestellt und gehört nunmehr zu den grössten Forschungsbetrieben im Fach. Dies ist alles andere als selbstverständlich, bedenkt man im besonderen jene Zeiten, in denen andere Institute im deutschsprachigen Raum Ressourcen abbauen mussten. Ab Ende der 1980er Jahre wurden in Zürich diverse Forschungsprojekte über Drittmittel finanziert, so über den Schweizerischen Nationalfonds, über den Forschungskredit der Universität Zürich und über den Kredit der Nachwuchsförderung des Kantons Zürich.
Im Zuge fakultätsinterner Entwicklungen und Reformen haben sich das Institut für Populäre Kulturen, das Ethnologische Seminar und das Völkerkundemuseum am 1. Januar 2014 zum Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft (ISEK) zusammengeschlossen. Die Studienprogramme und die Studienordnungen Populäre Kulturen und Ethnologie bleiben selbständig und unverändert, die Studienordnungen sind nunmehr in einem gemeinsamen Dokument ISEK nacheinander aufgeführt. Dem neuen Namen des Instituts und dem Zusammenschluss wird eine gemeinsamen Website (www.isek.uzh.ch) gerecht.