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Prof. Dr. Harm-Peer Zimmermann
Es gibt keine Kultur, in der nicht erzählt würde, und zugleich sind Erzählungen selbst kulturelle Formen, in denen Menschen über ihre Kultur und Gesellschaft nachdenken, berichten, sich verständigen und auch lachen. Das tun sie ganz alltäglich: bei der Arbeit, im Familienkreis, unter Freunden. Oder auch zu feierlichen Anlässen und ritualisiert. Kein Ort und kaum eine Zeit ohne Erzählungen, seien sie mündlich, schriftlich oder bildlich (Film, Fernsehen, Internet), seien sie analog oder digital vorgetragen. Der Mensch ist ein homo narrans, einer, der gern erzählt und erzählen muss, um zu (über)leben. Erzählforschung umfasst die Aspekte Anthropologie, Ästhetik, Geschichte, Kultur und Gesellschaft. Anthropologie heißt: Der Mensch ist ein Mängelwesen, das macht seine Weltoffenheit und die Unerschöpflichkeit seiner Erzählungen aus. Ästhetik heißt: Erzählen folgt ganz eigenen Regeln, entwickelt eigene Strukturen und folgt diesen je nach Erzählgattung. Geschichte und Kultur heißt: Die Formen des Erzählens haben historische Hintergründe und kulturelle Bedeutungen. Gesellschaft heißt, Erzählen hat Funktionen für unterschiedliche Akteure (Personen, Gruppen) und dient nicht zuletzt der Bewältigung von Konflikten und Krisen. Was Erzählforschung in besonderer Weise aktuell macht, ist der sogenannte narrative turn in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Dabei unterscheidet sich die Erzählforschung am ISEK etwa von Literaturwissenschaft dadurch, dass sie Erzählen als kommunikatives Handeln auffasst, als lebendiges, alltägliches und performatives Geschehen unter Menschen in ihren lebensweltlichen Kontexten.
Aktuelle Themen sind: Erzählen über Wetter und Klima, über Alter und Demenz