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ISEK - Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft Populäre Kulturen

Vor-Bilder. Nach-Bilder. Zeit-Bilder. Kommerzielle Zeichenwettbewerbe für Kinder in der Schweiz zwischen 1935 und 1985

Post-Doc Forschungskredit der Universität Zürich

Das Projekt wird in Kooperation des Instituts für Populäre Kulturen mit dem Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung der Stiftung Pestalozzianum, dem Globi Archiv und der Firma Kentaur sowie privaten Leihgebern durchgeführt.

Projektbeschrieb

Die Veranstaltung von Mal- und Zeichenwettbewerben für Kinder erfreut sich in der Schweiz seit Jahrzehnten grosser Beliebtheit – sowohl bei den Initiatoren vielfältiger Wettbewerbsformen, als auch bei den rege teilnehmenden Kindern und Jugendlichen. Dieser Umstand regt zu Fragen darüber an, auf welcher historischen Grundlage heutige Wettbewerbe eigentlich erdacht, durchgeführt und von den zeichnenden Kindern aufgenommen werden. Welche Wettbewerbe gab es in früheren Zeiten und welche Rolle spielten sie im Alltagsleben von Kindern des 20. Jahrhunderts? Inwiefern spiegeln sich in den eingereichten und prämierten Bildern historische Ereignisse, Bildtraditionen und sich wandelnde Methoden des Zeichenunterrichtes?
Ausgehend von den Beständen des Archivs der Kinder- und Jugendzeichnung der Stiftung Pestalozzianum an der Pädagogischen Hochschule in Zürich (AdKJ) befasst sich das Forschungsprojekt mit diesen und weiteren Fragen. Das AdKJ bewahrt innerhalb seiner Sammlung oder als Leihgaben verschieden grosse Konvolute an Zeichnungen, die bei Schweizer Zeichenwettbewerben eingereicht und prämiert wurden. Von grösstem Umfang ist der Bestand an 22.000 prämierten Arbeiten aus den Zeichen- und Scherenschnitt-Wettbewerben des Pestalozzi-Schülerkalenders von 1912 bis 1984. Dieser Zeichenwettbewerb bildet in seiner jahrhundertüberspannenden Präsenz im Alltag Schweizer Kinder ein ideales Vergleichsmodell für andere Schweizer Wettbewerbe. Ausschlaggebend für die Auswahl von Zeichenwettbewerben von Globi (1935-1951), SBB (1946), ACS (1953), COOP (1956), Kentaur AG (1964) und Mein Freund-Jugendkalender (1974-1982) ist eine thematisch breite Streuung im Zeitraum zwischen 1935 und 1985. Die Aufgabenstellungen variieren je nach Zweck des Wettbewerbs und werden gleich wie die Bildlösungen der Kinder einer historischen und soziokulturellen Betrachtung unterzogen. Die Themenfelder der Wettbewerbe stammen aus verschiedenen Bereichen, wie auch die Veranstalter sich aus unterschiedlichsten Sparten zusammensetzen. Ihre Wettbewerbe werden im Folgenden kurz skizziert.

Seit 1935 veranstaltete die Firma Globus in ihrem Kindermagazin Der Globi immer wieder Wettbewerbe zu bestimmten Themen wie der Mobilmachung oder der Schweizerischen Landesausstellung 1939, sowie allgemeine Zeichenwettbewerbe für die Sommerferien. Die Ergebnisse wurden in 19 sogenannten Künstler-Alben eingeklebt und zeigen unterschiedlichste Bildlösungen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen Themen, insbesondere der „Geistigen Landesverteidigung“ – mit oder ohne Reklamefigur Globi, welche die Kinder zu eigenständiger, kreativer Tätigkeit anregen sollte (Abb. 1: Globi-Künstleralbum, 1940).

Andere Wettbewerbe stehen in Zusammenhang mit Firmenjubiläen, wie der Wettbewerb zum 100jährigen Bestehen der Schweizer Eisenbahnen im Jahr 1946, bei dem 10.000 Arbeiten einlangten und die landesweit in Ausstellungen gezeigt wurden. Davon kamen ca. 50 Blätter ins AdKJ und dokumentieren die Sicht auf ein staatliches Schweizer Unternehmen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg (Abb. 2: SBB, „100 Jahre Schweizer Eisenbahn“, 1946).

Auch der Wettbewerb des Automobil Clubs Schweiz ACS, Zürcher Sektion, im Jahr 1953 wurde aus Anlass des 50jährigen Bestehens des Clubs veranstaltet. Das Thema „Ein freundliches Handzeichen“ wurde in Zusammenarbeit mit der Erziehungsdirektion der Stadt Zürich an Zürcher Schulen ausgeschrieben und als Teil der Verkehrserziehung in den Unterricht integriert. Die Gewinner wurden zu einem Voralpenrundflug eingeladen und die Zeichnungen 1954 im Stadthaus Zürich ausgestellt, wo wiederum der erzieherische Gedanke und die Verkehrssicherheit für Kinder in den Mittelpunkt gerückt wurden (Abb. 3: ACS, „Ein freundliches Handzeichen“, 1953).

1956 wurden auf eine Ausschreibung der Jugendsparte „dr Ueli“ im Wochenblatt Genossenschaft hin 335 postkartengrosse Schwarz-Weiss-Zeichnungen zum Thema „Bei uns daheim“ eingereicht und per Losentscheidung 15 Gewinner bestimmt. Insgesamt existieren noch 26 Einsendungen im AdKJ und versammeln verschiedene Blickpunkte auf Themen wie Wohnung, Familie und Heimat der 1950er Jahre (Abb. 4: COOP, „Bei uns daheim“, 1956).

Im Zeichen einer gross angelegten Werbekampagne stand der Malwettbewerb der Hafermühle Kentaur, die im Jahr 1964 Kinder zu Zeichnungen mit vier aufgeklebten Kentaur-Figuren aufrief. Über 570 dieser Collagen sind im Archiv von Kentaur und im AdKJ erhalten geblieben. Diese setzen mythologische Werbe-Figuren in kindliche Alltagsszenen, beziehungsweise verbinden sie sich mit anderen gesellschaftlichen Grossereignissen wie der EXPO in Lausanne 1964, sowie mit Motiven aus Kinder- und Jugendmedien, Film und Umwelt (Abb. 5: Kentaur, „Rapidlöckli“, 1964).

Ein Konkurrent des Pestalozzi-Schülerkalenders war der Jugendkalender Mein Freund, der von 1922 bis 1988 vom Katholischen Lehrerverband der Schweiz herausgegeben wurde. Die erhaltenen Wettbewerbszeichnungen aus diesem Kalender umfassen insgesamt ca. 1300 Werke. Neben eigenen Erfindungen wie „Ein Traum“ oder „Eine Bildergeschichte“ wurden zwischen 1974 und 1982 vornehmlich Darstellungen von Alltagssituationen aus kindlicher Perspektive, wie „Am Schalter“ oder „Bildnis eines Menschen“, ausgeschrieben (Abb. 6: Mein Freund-Jugendkalender, „Bildnis eines Menschen“, 1978).

Ziel des Projektes ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Wettbewerbe herauszuarbeiten und die Wettbewerbszeichnungen als Bildquellen zur Schul- und Populärkultur des 20. Jahrhunderts zu interpretieren.

Publikationen

  • Anna Lehninger, "Schattenbilder aus Kinderhand. Scherenschnitte des Pestalozzi-Schülerkalender-Wettbewerbs zwischen 1920 und 1960" / "Silhouettes de mains d’enfants. Découpages du calendrier Pestalozzi de 1920 à 1960", in: Schnittpunkt. Bulletin des Schweizerischen Vereins Freunde des Scherenschnitts, Winterthur: Schweizerischer Verein Freunde des Scherenschnitts, Nr. 48/2012, S. 2-3 / S. 4-6.
  • Anna Lehninger, "Archiv der Kinder- und Jugendzeichnung. Ein wertvolles Kulturgut wird digitalisiert", in: ph-akzente, Pädagogische Hochschule Zürich, Heft 4, November 2010, S. 47.
  • Anna Lehninger, "Kasperlitheater als Bildungsarbeit. Das Handpuppentheater von Pauline und Hermann Fischer" / "Le théâtre de marionettes – un travail de formation. Le théâtre de marionettes à gaine de Pauline et Hermann Fischer", in: Figura. Zeitschrift für Puppen- und Figurentheater / Revue pour le théâtre de marionnettes, Winterthur: Unima Suisse, Nr. 64, Heft 2, 2010, S. 14–16 / S. 15–17.
  • Anna Lehninger, "Beobachten im Kindergarten – vor 70 Jahren und heute", in: 4 bis 8. Fachzeitschrift für Kindergarten und Unterstufe, Bern: Schulverlag, Nr. 7/8, Juli/August 2010, S. 26–27.
  • Anna Lehninger, "Die Kinderzeichnung als Zeitzeugnis", in: 4 bis 8. Fachzeitschrift für Kindergarten und Unterstufe, Bern: Schulverlag, Nr. 6, Juni 2010, S. 24–25.
  • Katja Baigger, „Kinderzeichnungen als Spiegel der Geschichte“, in: Neue Zürcher Zeitung, Nr. 258, , 5.11.2012, S. 44. Zum Text
  • Martina Läubli, „Was Dürrenmatt als Kind zeichnete“, in: Tagesanzeiger online, 18.12.2012. Zum Text
  • Katja Baigger, „Von der Stickarbeit ans Steuerrad“, in: Neue Zürcher Zeitung, 7.3.2013, S. 20. Zum Text